UnOrtnung III/IV
Textkunstprojekte, 2008 entwickelt im Rahmen von Veronika Barnas´Veranstaltungsreihe UnOrtnung (Temporäre künstlerische Zwischennutzung leerstehender Objekte)
UnOrtnung III – Genochmarkt
Wovon träumt ein leerer, ein sterbender Raum?
Das Konzept: Rhea Krčmářová verbrachte eine Nacht im leeren Marktstand (Wild/Geflügel), um gleich einem Medium die Gedanken und Schwingungen des Raumes zu „channeln“ und als literarische Grafitti direkt an die Wände zu schreiben.
REQUIEM FÜR EIN STÜCK HOLZ
Tritt vor Deinen Schöpfer, Huhn.
Hast Du zur Nacht gebetet?
Gnade erteilt der Herr allen. Oder auch nicht.
Wo möchtest Du sein, Huhn? Vor oder auf dem Altar?
Deine zarte Form möchte in Flammen aufgehen.
Möchte. Will.
Wird.
Alle sind wir göttlich. Unsterblich Deine Seele.
Und was jetzt kommt, das lässt sich nicht vermeidet.
Errichtet ist der Stapel, auf dem Du brennbar wirst.
HAST DU ZUR NACHT GEBETET, HUHN?
Ich folge deiner Spur, sage ich. Schön, sagst du. Und wir wissen, dass wir lügen. Das Netz zwischen uns beiden hat es nie gegeben. Wir schwimmen beide in verschiedenen Universen. Keinerlei Berührungsflächen. Wozu auch Kerzen und Rosen. Die Menschen, die wir uns einreden zu sein, haben eben kleine, flüchtige Bedürfnisse. Uns nicht zu küssen, uns nicht zu berühren war von Anfang an der Lauf der Dinge. Uns nie wirklich zu kennen hat unser Wesen inkludiert. Ich blute mir das Hirn aus dem Kopf. Du nickst gefällig. Mein echter Inhalt geht an Dir vorbei. Deine wahrhaftige Füllung brennt im Licht meiner Verblendung. Ich habe dich nicht gehen gesehen. Du hast mich nicht kommen lassen. Nähe war nur flüchtigst vorgesehen. Wir haben beide unsere Muster, um uns zu wehren. Ich sage mich nicht los. Wir haben einander nie besessen. Unsere Seelen haben sich viel zu sagen. Aber unsere Herzen schweigen.
AN ALLE UNSERE KUNDEN!
Radlergläser
Osterhexen
Sonnenstürme
Elbenöhrchen
Nelkenbrüche
Wonnenflaschen
Abwaschwässer
Segelkatzen
Samtsirenen
Echospüler
Regenmönche
UnOrtnung IV – Copa Cagrana
Das Konzept:
„Losgerissen.
Mitgenommen.
Angeschwemmt.
Die Flut hat sich zurückgezogen. Und hat Unordnung hinterlassen.
Und UnORTnung.
Hat Worte mit sich gebracht.
Textschnipsel, Fragmente. Und Fragen.
Hat die Legende Platz im Trivialen, im alltäglich Gegenwärtigen?
Kann man nah an der Sintflut bauen?
Ist die Bierinsel das längst verschollene Atlantis?
Versank Rungholt im Wattmeer oder doch in Kagran?
Führen Sturmfluten auch ins tiefste Binnenland?“
TEXTE
Rusalka (singt):
Deinetwegen habe ich mich aufgegeben.
Vorstadtgartenreihenhaus.
Pfarrgemeinde inklusive.
Seejungfrau nicht mehr.
Jetzt wüten wir auf euren Äckern.
Ich bin zum Irrlicht geworden.
Und du bist tot.
aufgetaucht mit der wiedergeburt
thesen über thesen
lage unbekannt
absicht oder mythos
nordnordost von irgendwo
theorie des philosophen
in extremo
stereotyp, synonym, stille
O2 (Klares kaltes Wasser)
Als ich hinabgestiegen bin in den dunklen See…
In die endlose Finsternis, in meine nasse, tote Dunkelheit…
Gezogen von der Schwere meiner jungen Jahre,
geführt von der Ruhe in meiner schweren Seele…
Schritt für Schritt weg vom schlammigen Ufer, von den rutschigen Steinen
Zur tiefen Mitte, zum Grund.
Das Wasser beginnt den Saum meines Kleides zu lecken
Umspült meine Beine, mein erfrorenes Geschlecht
Ich werde kleiner und leichter.
Meine Finger tauchen ein, meine schmalen Handgelenke,
Mit den Kupferringen, die weißen Oberarme.
Mein nasses Kleid treibt um mich, umfließt mich
Wie der Brautschleier, den ich nie hatte.
So voll, so schwer, jeder Schritt ein Kampf,
Ein Kampf und die Erlösung
Wasser füllt meine Lungen, meine Nase, meinen Hals,
Durchtränkt meine Haare, kaltes Wasser, über mir und in mir.
ich werde zu Wasser, zu eiskaltem Wasser.
Wo ist dein Mantel, Ophelia? Wo ist dein Blumenkleid?
Wo ist dein Kranz aus hellen Sommerblumen?
Sind das die schleimigen Algen in deinem Haar?
Kleine Fische schwimmen um mich, während ich versinke…
Über mir sind Wolken.
Und die Wasseroberfläche.